Schlingpflanzen im Tango
Wird unsere Tangowelt besser oder schöner, wenn wir mehr von unseren gegenseitigen Wünschen an den Tanzpartner kennen? So müsste es doch eigentlich sein. Auf einer meiner letzten Milongas tanzte ich mit einem mir unbekannten Herrn, der außerordentlich beharrlich wieder und wieder sein rechtes Bein austellte, in der Hoffnung, ich würde das meine um das seine schwingen. Ich wollte aber nicht, mir war nicht danach.
Nun verstehe ich ja, dass Mann nicht gleich wissen kann, ob Frau jetzt bloß begriffsstutzig ist und sich das durch didaktisch geschickte -hoffentlich nicht unendliche - Wiederholungen beheben lässt oder ob die Verweigerung eher im Nichtwollen gründet und ungezählte Anläufe daher nur in die Hose gehen können. Aber (ja, jetzt muss das Aber kommen …) weniger verstehe ich dann eben die fortgesetzte Ungerührtheit in den nicht abreißenden Versuchen, doch noch mein Bein um das seine zu bekommen.
Eine Lernform bei höher entwickelten Säugetieren ist die des Versuchs und Irrtums, sehr schön auch bei Hunden und Katzen zu beobachten: Das Tier probiert herum und stellt das Probieren schließlich ein, wenn es nicht zum Erfolg führt. Hm. Ist Tango vielleicht zu komplex in seinen Herausforderungen, so dass Mann, der neben dem Sortieren der eigenen Füße auch die Dame noch geschickt lenken soll, leicht den richtigen Zeitpunkt verpassen kann, fruchtlose Beinumschlingungseinladungen einzustellen? Vielleicht ist dem so. Nehmen wir das mal an, als Erklärung dafür, dass Versuch und Irrtum im Tango manchmal nicht zu funktionieren scheinen. ;-)
Es ist irgendwie ja auch eine unangenehme Hürde, die von weiblicher Seite zu übersteigen wäre, um dem Herrn zu vermitteln: Gegen das Schwingen ist gar nichts zu sagen, aber ich möchte nicht in dieser Weise um dein Bein schwingen!
Um all dem Hehren mal das Alltägliche entgegenzusetzen: Tango bietet natürlich vorzüglich die Möglichkeit, drängende Bedürfnisse nach aufregender Berührung zu befriedigen, Männern wie Frauen. So sind es nicht nur Männer, die umschwungen (umschlungen?) werden wollen, sondern auch Frauen, die inflationär und unaufgefordert umschlingen, äh -schwingen. Da habe ich Mann schon mal neben mir fragen hören: "Gehst du auch wieder raus?" Puh, peinlich ...
Möchte ich nun, dass nicht mehr geschwungen und dazu nicht mehr eingeladen werden sollte? Ausdrücklich nein! Sowieso geht es mir nur um das, was in meinen Tänzen abläuft, denn Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Für mich ist es passend als gute Interpretation der Musik und dann entweder als prickelnde coole Einlage oder als effektvolle Untermalung eines Höhepunkts. Da habe ich eine Nähe zum Motto: Weniger ist mehr.
mohn
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